Es war einmal ein junger Adler namens Eron. Er war in der faszinierenden Bergwelt des Allgäus zu Hause. Seine Gabe und zugleich sein größtes Manko waren seine Euphorie und die ständig neuen Ideen, die er entwickelte. Eines Abends saß Eron mit seinen besten Freunden gemütlich bei einem Lagerfeuer.
Da waren Elli - die Elster, Eugen - die Eule, Max - der Spatz und Gertrud - die Krähe.
Die Gruppe junger Vögel erzählte bei ihrem Lagerfeuerstammtisch von den Tagesereignissen und diskutierte über die Welt der Vögel.
So ergab es sich, dass Elli die Elster davon berichtete, wie sie einen silbernen Löffel auf einer Terrasse fand, der so schön in der Sonne glänzte. Eugen, die Eule verdrehte seine großen Augen, da er Gegenständen, die weder warm hielten, noch satt machten, nichts abgewinnen konnte.
Max, der Spatz, hatte ein erfrischendes Bad in einer neuen Pfütze auf dem Feldweg genommen. Kurz zuvor hatte er einen leckeren Regenwurm gefunden. Gertrud, die Krähe, hatte einen sehr schlechten Tag gehabt. Sie ärgerte sich über das lautstarke Gegacker der Hühner am Nachbarhof. So oder so ähnlich liefen die Stammtischgespräche der Vogelgruppe jeden Abend ab.
EEEEEEEron! EEEEEron! rief Elli, die Elster. Sie hatte gemerkt, dass der junge Adler heute nicht bei der Sache war.
„Ja!?“, erwiderte Eron. „Was ist denn?“ „Träumst du wieder von der weiten Welt?“, fragte Elli. Eron grinste. „Erzähl mal, was du schon wieder geträumt hast“, forderte ihn Gertrud mit kritischem Unterton auf.
„Ich habe mir überlegt, wie hoch ich wohl fliegen kann. Ich habe neulich von einem benachbarten Adler gehört, dass er 500 Meter über dem Gipfel vom Tegelberg geflogen ist. Ich frage mich die ganze Zeit, ob ich das auch kann.“ „Waaas? Bist du verrückt!“, rief Max. „Du bist lebensmüde.“ Eugen schaute ihn streng an und sagte: „So hoch ist noch nie ein Vogel geflogen. Das muss ein Dampfplauderer sein. Selbst für einen Greifvogel ist das zu hoch.“ Elli bemerkte: „Junge, mach bloß nicht wieder so einen Scheiß wie beim letzten Mal, als du versucht hast, einen Salto zu fliegen und beinahe in der Hundehütte von Bauer Müllers Hund gelandet wärst.“ Alle waren sich einig, dass Eron diese Vision nicht in die Tat umsetzen sollte. Eron machte in der kommenden Nacht kein Auge zu. Er träumte von dem Flug. Wie klein würde die Welt von so weit oben wohl aussehen? Ich muss es versuchen und ich muss wissen, ob das geht, dachte er. Am nächsten Tag schmiedete er einen Plan. Ich nutze den Aufwind der gelben Wand, überlegte er sich, und schraube mich langsam hoch. Wenn das Wetter passt, dann starte ich noch heute Nachmittag. Es war ein wunderschöner Sommertag mit strahlend blauem Himmel.
„Jetzt oder nie!“, sagte Eron leise zu sich. „Ich tue es.“ Gertrud, die plötzlich aufgetaucht war, versuchte ihm noch einmal ins Gewissen zu reden. „Wenn das schiefgeht. Weißt du, wie weit man da abstürzen kann? Du bist ja wahnsinnig.“
Eron versuchte ihr zu erklären, dass es funktionieren würde. Dieses Erlebnis würde die beste Erfahrung seines Lebens werden. Er verstand nicht, wie viel Energie ein Vogel in so eine negative Denkweise investieren konnte. Er, ein Steinadler in der Blüte seines Lebens wollte sich davon nicht abbringen lassen. Und so glitt er von seinem Ast und flog - dem äußeren Anschein nach überzeugt - los zu seinem Höhenprojekt. Ihn überfielen Zweifel. „Was ist, wenn sie doch Recht haben und ich mir alle Flügel breche? Was ist, wenn die Luft zu dünn wird oder ich mich verfliege? Was ist, wenn ich abstürze?“
Trotz starker Zweifel und innerem Kampf flog er los Richtung gelber Wand. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Er schraubte sich hoch - alles lief nach Plan. Knapp über dem Gipfel traf er noch einen Milan, der ihn höflich grüßte. Er versetzte sich in höchste Konzentration, um keinen Fehler zu machen. Der Aufwind war perfekt und trug ihn spielend leicht. Er drehte einfach nach oben, ganz elegant, ohne einen einzigen Flügelschlag. Wie leicht es war. Schnell war er 500 Meter über dem Gipfel und stieg immer noch höher. Eron war begeistert. Sie hatten alle gesagt, dass das nicht gehen würde. Alle erzählen nur, was alles schiefgehen kann, aber keiner dieser Idioten konnte sagen, warum es nicht geht. Und warum? Weil sie so was noch nie selbst versucht hatten. So gut, so stark, so überlegen hatte er sich noch nie gefühlt. Er konnte über das Land schauen, sah die Erdkrümmung. So weit hatte er noch nie gesehen.
Plötzlich wurde Eron wie in einem Aufzug nach oben gerissen. Es ging rasend schnell. Er war inmitten einer schweren Gewitterwolke. Todesangst lähmte ihn. Er bereute, nicht auf das Wetter geachtet zu haben. Jeder Adler ist achtsam - bei allen Vorhaben. Der Rat der Adler wird mich als Verlierer abstempeln, die Vögel vom Stammtisch werden über mich lästern, schoss es ihm durch den Kopf.
Was habe ich nur getan, dachte er in seiner Todesangst. Er wurde weiter nach oben gerissen, hatte nichts mehr unter Kontrolle. Es wirbelte ihn heftig herum. 800 Meter über dem Gipfel in einer Gewitterwolke. Das ist das Schlimmste, und zugleich das Peinlichste, was einem Adler passieren kann. Auf einmal ging es abwärts. Er fiel wie ein Stein nach unten. Er hatte keine Möglichkeit, die Flügel zu spreizen, um den Fall abzubremsen. Er verlor das Bewusstsein.
Als Eron zu sich kam, schauten ihn die großen Augen der Eule Eugen an. „Eron, was machst du für Sachen? Wir haben uns Sorgen um dich gemacht.“ Eron hatte den Fall überlebt. Es war ein Wunder. Er war schwer verletzt. Der rechte Flügel war gebrochen und der Rücken stark geprellt, sodass er sich kaum bewegen konnte. Die Hälfte seiner Federn hatte er verloren.
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